Masterplan für eine nachhaltige Verkehrsinfrastruktur: Mobilität und Verkehr für eine wachsende Stadt weiterentwickeln durch Vernetzung

Präambel:
Das Wachstum und die weiter steigende Attraktivität der Stadt Münster (Arbeits- und Studienstandort, Lebens- und Wohnqualität, Oberzentrum für die Region) stellen noch größere Herausforderungen an das Mobilitätssystem der Stadt und die Verknüpfung mit dem Münsterland. Um die Mobilität für die Zukunft zu sichern, sind alle zusätzlichen innerstädtischen Verkehre so zu gestalten, dass die verkehrlichen Emissionen und Belastungen durch Lärm nicht weiter steigen, sondern Lärm reduziert wird (Lärmminderungsplanung).
Die wachsenden regionalen (Pendler-) Verkehre stellen für die Stadt Münster eine besondere Herausforderung dar, der nur mit einer verbesserten Vernetzung und neuer Gewichtung der Verkehrsträger begegnet werden kann.

Der Rat möge beschließen:
1. Die Verwaltung wird beauftragt, ein Maßnahmen- und Handlungskonzept (priorisiert) für eine intermodale Mobilität (Auto, Bahn-, Bus-, Rad und Fußgängerverkehr) unter Beachtung der Erfordernisse der Barrierefreiheit zu entwickeln. Mit dem vernetzten System soll die Mobilität gefördert werden und gleichzeitig verkehrsbezogene Belastungen reduziert werden. Die Perspektive der Maßnahmen ist nach kurz- bis mittelfristigen Instrumenten sowie einen langfristigen Planungszeitraum für die Zeitachse 2030/50 darzustellen. Empirische Grundlagen sind zu berücksichtigen.

Das System soll folgende Bausteine umfassen bzw. untersuchen:

a. Maßnahmen, die – eingebettet in die Mobilitätserfordernisse des Umlands - den Umstieg von Pendlern vom Auto auf das Rad und auf Bus und Bahn erleichtern und Belastungen der Stadt mit Lärm und Schadstoffen verringern. Immissionsschutzrechtliche Vorgaben und Verkehrsbeschränkungen (Umweltzonen) als auch Aspekte der Verkehrssicherheit sind dabei zu berücksichtigen.

b. Instrumente, um den Autoverkehr im Zentrum der Stadt zu reduzieren. Dabei sind auch Road-Pricing-Modelle zu untersuchen.

c. Signifikante Steigerung des Schienenpersonennahverkehrs (u. a. mit der Entwicklungsperspektive einer Münsterland-S-Bahn) und Verbesserung des Busverkehrs als Rückgrat des ÖPNV in Münster mit neuen Haltepunkten des SPNV und die optimale Einbindung vorhandener Haltepunkte im Stadtgebiet in das Verkehrsangebot. Die Verwaltung intensiviert hierzu Gespräche mit den Vertretern der Zweckverbände ZVM und NWL auf.

d. Potentialabschätzung für den Alltags- und für den Freizeitverkehr, die durch einen zweiten Promenadenring für die Stadt („Zweite Promenade“) aktiviert werden können. Dabei sind Synergien mit den geplanten Velorouten, sowie weitere Verbesserungen der Vorfahrt-Regelungen für Fahrräder z.B. Promenadenring zu berücksichtigen.

e. Ein Fahrradleih/-mietsystem auf der Grundlage der in der Begründung aufgelisteten Eckpunkte, das als weiterer Baustein in den Verkehrsentwicklungsplan integriert werden kann.

f. Mögliche Lenkungswirkungen durch Parkgebühren bei einem vernetzten Konzept.

g. Effekte weiterer Park & Ride Stationen und Carsharing-Angebote ausweiten.

h. Maßnahmen zur deutlichen Verbesserung des ÖPNV wie weitere Busspuren, gesonderte Busstraßen, zusätzliche Ampelvorrangschaltungen und neue Techniken wie beispielsweise eine schienenlose Straßenbahn sind zu berücksichtigen.

i. Ein System zur Steuerung und Vermeidung von Parksuchverkehren, das auch die Zufahrt zu besetzten Parkhäusern sperrt, soll entwickelt werden.

j. Die signifikante Erhöhung der Anzahl von Fahrradstraßen im gesamten Stadtgebiet soll erreicht werden.

k. Ein weiterer barrierefreier Ausbau des Verkehrs und Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben bis 2022.

2. Darüber hinaus zeigt die Verwaltung auf, welche Potentiale durch die Digitalisierung einer vernetzten Mobilität liegen.

3. Die Verwaltung ruft einen mit Fachleuten und Vertretern der Fraktionen besetzten Beirat ein, der die Arbeit der Verwaltung lenkt und die kontinuierliche Umsetzung begleitet. Lokale Akteure einschließlich der Sicherheitsbehörden sind im Beirat zu beteiligen.

4. Alle Beschlusspunkte stehen sämtlich unter dem Vorbehalt der Finanzierung durch den Haushalt der Stadt Münster.

Begründung

Zu 1) Ziele eines vernetzten Systems Das Wachstum und die weiter steigende Attraktivität der Stadt Münster (Arbeits- und Studienort, Lebens- und Wohnort, Oberzentrum in der Region) stellen in Zukunft noch größere Herausforderungen an das Mobilitätssystem der Stadt und die Verknüpfung mit dem Münsterland. Um die Mobilität für die Zukunft zu sichern, sind alle zusätzlichen innerstädtischen Verkehre neu zu gestalten.

Die weiterhin wachsenden regionalen (Pendler-) Verkehre stellen für die Stadt Münster eine besondere Herausforderung dar, der nur mit einer weiteren Vernetzung und neuen Gewichtung der Verkehrsträger begegnet werden kann.

Wesentliches Ziel des vernetzen Systems ist deshalb eine deutliche Verringerung der verkehrsbedingten Emissionen, insbesondere

• Reduzierung der CO2-Emissionen (Masterplan Klimaschutz)
• der gegenwärtigen hohen Feinstaubbelastung
• der Stickoxide (NOX) und
• der gesundheitsgefährdenden Lärmbelastung,

Ziele sind auch die Erhöhung der Sicherheit im Straßenverkehr und die Reduzierung der täglichen Staus, insbesondere im Berufsverkehr, mit täglich ca. 150.000 Pendler*innen.

Bei dem neuen Mobilitäts- und Verkehrskonzept bildet der Öffentliche Personennahverkehr und das Fahrrad, das Mobilitäts- und Nachhaltigkeitsrückgrad um sich flexibel, nachhaltig und klimaschonend in Münster zu bewegen.

a. Immissionsschutzrechtliche Maßnahmen auf Bundesebene
Zu untersuchen ist auch, wie immissionsschutzrechtliche Maßnahmen auf Bundes- und Landesebene (z. Bsp. Dieselverbote oder Tempo-30-Zonen in der Innenstadt) den weiteren Umstieg vom PKW auf Bahn/Bus sowie das Rad beschleunigen können.

b. Monetäre Lenkungsinstrumente
Zu untersuchen sind auch monetäre Anreize wie beispielsweise das von Prof. Lühder von der Hochschule Münster entwickelte Konzept zur Einführung einer Nutzungsgebühr für den zentralen Innenstadtkern der Stadt Münster. Zentraler Bestandteil des Konzeptes ist das mit der Gebühr erworbene Ticket, das sowohl zur Nutzung von öffentlichen Parkhäusern und Tiefgaragen als auch für Fahrten mit Bus und Bahn, für Carsharing und für Leihfahrräder berechtigt.
Weiterer Kernpunkt des Konzeptes ist die zweckgebundene Verwendung der Einnahmen für den Ausbau bzw. die Weiterentwicklung des öffentlichen Personennahverkehrs und des Radverkehrs. Die Verwaltung soll darlegen, welche Wirkungen ein monetärer Anreiz zum Umstieg auf den ÖPNV bzw. das Fahrrad hat sowie die Möglichkeit einer rechtlichen Umsetzung soll die Verwaltung ermitteln unter welchen rechtlichen Rahmenbedingungen die Einführung einer Nutzungsgebühr möglich ist (analog Kopenhagen etc.).

c. Bessere ÖPNV-Angebote und stärkere Nutzung des Schienenverkehrs
Verbesserung des straßengebundenen ÖV (Stadt- und Regionalbusse) durch z.B.

• Beschleunigungsmaßnahmen,
• Taktverdichtungen und verlässlichere Umsteigebeziehungen,
• Verlängerung ausgewählter Schnellbuslinien in Gewerbegebiete. (vgl. Arbeitsaufträge zum Nahverkehrsplan).
Beschlüsse über zusätzliche Bahnhaltepunkte wie z.B. am Preußenstadion sind vom Rat der Stadt Münster bereits getroffen worden. Es kommt darauf an, diese Beschlüsse nun so zügig wie möglich zu realisieren.
Zusätzliche Wirkungen sind zu erwarten, wenn die vorhandenen Haltepunkte besser in das Verkehrsangebot integriert werden. Z. B. durch Verlängerung
• der Fahrten von Hamm über den Hauptbahnhof bis zum Zentrum Nord,
• der Fahrten von Telgte über den Hauptbahnhof bis nach Gremmendorf/Wolbeck auf der Trasse der WLE,
• der Fahrten von Rheine über den Hauptbahnhof bis nach Hiltrup
Für eine zeitnahe Reaktivierung der WLE-Strecke ist zudem zu sorgen.

d. Zweiter Fahrradring um die Stadt - vernetzt durch Velorouten

Prof. Dr. Norbert Allnoch hat zur Verbesserung der Mobilität und des Verkehrs in einer wachsenden Stadt ein Konzept für eine zweite Promenade erstellt. Die Verwaltung soll prüfen, welches verkehrliche Potential dieser zweite Grün- bzw. Fahrradring (bei kompletter bzw. teilweiser Realisierung) hat, wie dieser Baustein stufenweise realisiert werden kann und welche Kosten damit verbunden sind.
Der „zweite Promenadenring“ soll mit Blick auf ein „Konzept für eine nachhaltige Stadtentwicklung der Stadt Münster“ als „kommunales Pilotprojekt“ entwickelt und konzipiert werden. Die Stadtverwaltung sollte daher prüfen, welche ganzheitlichen Wirkungen mit einem zweiten Promenadenring auf die Aspekte

a) Verkehr & Mobilität (einschließlich der Vernetzung mit den Velorouten)

b) Wohnen & Wohnungsmarkt der Stadtteile

c) Tourismus & Wirtschaft

d) Klimaschutz & Ökosystem

verbunden sind und an welchen Förder-Wettbewerben auf den verschiedenen Ebenen ggf. teilgenommen werden kann. Nur ein zukunftsfähiges Pilotprojekt mit einer „Innovationshöhe“, das zudem als Vorbildprojekt dient, lässt eine hohe Förderquote erwarten.
Auf der Promenade soll die Sicherheit für den Radverkehr durch eine bessere Signalisierung (z. B. rote Einfärbung der Radwegefurt) und soweit möglich auch durch Einräumung der Vorfahrt an den Übergängen der Promenade über Straßen erhöht werden.

e) Fahrradleihsystem
Ein öffentliches Leihrad-System soll einerseits Bürger*innen und andererseits Besucher*innen der Stadt Münster zur Verfügung stehen. Mit der Einführung eines Fahrradleihsystems sollen aber insbesondere auch Berufspendler*innen bewegt werden, in Münster das Fahrrad als primäres Verkehrsmittel zu nutzen (s. eigener Ratsantrag dazu).
Dabei sind Pedelecs und E-Bikes bei der Konzeption besonders zu berücksichtigen. Auch die Anmietung von Lastenfahrrädern soll an den Leihstandorten möglich sein, um für Transport- und Einkaufsfahrten zur Verfügung zu stehen.

f) Parkgebühren
Mit flächendeckenden, angemessenen Parkgebühren kann innerhalb Münsters das Verhalten von Autofahrer*innen gesteuert werden. Ermittelt werden soll, welche Potentiale zur Verhaltenssteuerung hier noch möglich sind. Das gilt sowohl für eine Erweiterung von Parkzonen wo z.B. Beschäftigte in der Region ihres Arbeitsplatzes parken (z.B. Clemenshospital). Ferner soll dargelegt werden, welche Potentiale in der einer möglichen Gebührenerhöhung liegen.

g) Park-and-ride und Carsharing ausweiten
Hier soll die Erweiterung bestehender bzw. Anlage neuer Park-and-ride-Systeme geprüft werden (z.B. an der Wolbecker Straße).
Auf Bundesebene wurde am 30.03.2107 das Gesetz zur Bevorrechtigung des Carsharings verabschiedet und tritt zum 01. September 2017 in Kraft. Die Verwaltung soll prüfen, wie Carsharing-Angebote in Münster ausgebaut werden können. Mit einem Umstieg auf Carsharing lässt sich die Parkraumsituation in den Quartieren verbessern. Auch Münsteraner Unternehmen sollen angesprochen werden, vermehrt auf Carsharing-Angebote zu setzen, ggf. mit einem Zusatzangebot für Beschäftigte um Carsharing nach Feierabend privat zu nutzen.

h) Bestehendes Bus-System verbessern und erweitern
In der Rushhour ist das bestehende Bus-System in Münster für Einpendler*innen nur sehr eingeschränkt attraktiv - besonders wenn es zu Umsteigeaktionen kommt. An vielen Stellen steht der Bus im Stau, der 10-Minuten-Takt kann nicht gewährleistet werden und Umsteigeverbindungen werden verpasst. Es ist dringend notwendig, dieses System auch unter Berücksichtigung neuer Technologien zu verbessern.

i) Parkleit- und Verkehrssteuersystem
Gerade an Wochenenden ist zu beobachten, dass sich vor besetzten Parkhäusern und  plätzen lange Warteschlangen bilden. Dies führt zu zusätzlichen ökologischen Belastungen und zu einer großen Beeinträchtigung der Anwohner*innen der betroffenen Straßen. Münster benötigt ein System, das diese Verkehrsströme sinnvoll steuert.

j) Erhöhung der Zahl an Fahrradstraßen
Die Erhöhung der Anzahl an Fahrradstraßen dient der Verkehrssicherheit für die Radfahrer*innen. Die Zahl soll signifikant erhöht werden.

k) Barrierefreiheit schaffen
Der ÖPNV soll bis 2022 "vollständig barrierefrei" sein. Die Neuregelung des Personenbeförderungsgesetzes (PBefG) in § 8 Abs. 3 PBefG legt nun eine Frist zur Umsetzung des Ziels bis 2022 zugrunde.
Die Regelung zielt auf ein umfassendes, flächenhaftes Modell. Dabei muss die Barrierefreiheit für alle Nutzergruppen angeboten werden, auch für zeitweise mobilitätseingeschränkte Menschen wie Personen mit großem Gepäck, mit Kinderwagen oder Ortsunkundige – eben Zugänglichkeit für alle Fahrgäste ("Design für Alle"). Außerdem sollte die gesamte Reisekette im ÖPNV behinderungsfrei sein.

Zu 2) Digitalisierung des Verkehrs
Die zunehmende Digitalisierung von Informationssystemen der Verkehrsmittel wird die intermodulare Mobilität voranbringen. Fahrgäste werden nicht mehr primär mit einem vorher festgelegten Verkehrsmittel eine bestimmte Fahrstrecke zurücklegen. Jeder/jede wird in die Lage versetzt, mit vorhandenen Applikationen eine individuelle gewünschte Fahrroute für verschiedene Verkehrsträger miteinander zu vernetzen und zu vergleichen. Neben dem Fußverkehr, dem Radverkehr (inkl. E-Bikes), sowie dem Autoverkehr (inkl. E-Cars) werden auch temporäre Mietangebote (shared economy) sowohl als Free-Floating-Angebote als auch als stationäre Angebote eine Rolle spielen. Die Verkehrsteilnehmer*innen werden künftig verkehrsträgerüber-greifende Fahrinformationen aus einer Hand nutzen, um ihr individuelles Ziel zu erreichen.
Die Möglichkeit der umfassenden Nutzung der PlusCard der Stadtwerke soll dabei geprüft werden.

Zu 3) Steuerung der Umsetzung der neuen Mobilität
Um eine verbindliche Arbeitsstruktur zu schaffen, soll ein mit Fachleuten und Vertreter*innen der Fraktionen besetzter Beirat gebildet werden mit klaren Entscheidungskompetenzen. Der Rat entscheidet vorab, welche Handlungsvollmachten das Gremium bekommen soll. Mit beratender Stimme einzubeziehen in das Gremium sind neben der Politik Vertreter der Stadtwerke, der Förderverein für ein Fahrradleihsystem und Sachverständige wie z.B. Vertreter der Radstation, des ADFC, VCD, IHK, HWK, WIN oder ADAC und Polizei (jeweils ein Vertreter). Das Gremium soll eine klare Projektstruktur bekommen mit Meilensteinplanung, klare Zielvorgaben, um die Mobilität und den Verkehr gestuft aber zeitnah auf neue Wege umzustellen.

Zu 4) Finanzierung
Für den Ausbau einer wachsenden Infrastruktur sind Investitionen notwendig und Folgekosten zu finanzieren. Damit die wirtschaftlichste Variante der einzelnen Bausteine zum Tragen kommt, muss die Verwaltung für jedes Vorhaben vorab eine Wirtschaftlichkeitsanalyse durchführen und die Ergebnisse vorab dem Beirat zur Abstimmung vorlegen.
Um eine stärkere Nutzung des Schienenverkehrs zu forcieren, soll die Verwaltung ihre Bemühung zur Akquise von EU-, Bundes- und Landesmittel intensivieren.
Für einzelne Bausteine wie z.B. dem Fahrradleihsystem sind zusätzliche Finanzierungsoptionen (wie Fördermittel, Werbung, Sponsoring, Mitfinanzierung durch einen Förderverein) zu nutzen bzw. einzuwerben. Hierzu gehört auch, die Möglichkeit das Fahrradleihsystem in das Semesterticket zu integrieren. Ebenso sollen mögliche Fördergelder z.B. für die Erweiterung des Systems auf Elektroräder verstärkt akquiriert werden.
Mögliche Erträge durch zusätzliche Parkgebühren, durch das Fahrradleihsystem und einer möglichen Nutzungsgebühr für PKW in der Innenstadt sind zu berücksichtigen.