Ein öffentliches Leihrad-System für Münster

Der Rat der Stadt Münster möge beschließen:
 
I. Der Rat nimmt zur Kenntnis, dass angesichts einer wachsenden Stadt samt mitwachsendem Mobilitätsbedürfnis und von über 100.000 Pendlern je Tag nach Münster der urbane Radverkehr ein wesentlicher Baustein für die Abwicklung von Verkehren ist, dessen Rahmenbedingungen umfassend weiter zu verbessern sind. 

II. Die Verwaltung wird beauftragt, im Stadtgebiet der Stadt Münster als einen weiteren Baustein eines intermodularen Systems (s. eigener Antrag) für die Stärkung einer umweltgerechten Mobilität ein Leihrad-System nach dem Vorbild und Auswertung der Systeme Velib(Paris), Citybike (Wien) und MeinRad (Mainz) sowie der in der Begründung aufgeführten Projektskizze zu prüfen und zu entwickeln.
 
Begründung und Projektskizze:
 
1. Allgemeines
Münster ist die Fahrradhauptstadt Deutschlands. Es ist das Bestreben dieses Antrags, mit dem neuen Leihrad-System diesen Anspruch zu untermauern und Münsters Mobilität fit für die Zukunft zu machen.
Die Einrichtung eines frei verfügbaren öffentlichen Leihrad-Systems stellt dabei heute einen unabdingbaren Bestandteil moderner, dezentraler Verkehrsplanungen für Großstädte dar.
Im Jahr 2017 kommen gem. Pendlerstatistik NRW voraussichtlich erstmals 100.000 Pendler / Tag nach Münster. Gleichzeitig hat Münster die geringste Auspendlerquote unter den Städten in NRW.
Ebenso entwickelt sich Münster als wachsende Universitäts-, Kongress- und Messe-Stadt und erlebt eine steigende Attraktivität bei Touristen. Die Zahl der Übernachtungen stieg zuletzt auf über 600.000 pro Jahr.
Zusammen mit dem Wachstum auf über 300.000 Einwohner führt dies zu einer erheblichen Verkehrsbelastung in unserer Stadt.
Eine signifikante Entlastung ist kurzfristig nur durch Einführung alternativer Verkehrssysteme zu erreichen.
Ziel des neuen Leihrad-Systems ist es daher, den Pendlern und Besuchern Münsters sowie auch den Bürgerinnen und Bürgern Münsters zu ermöglichen, Kurzstrecken oder die "letzte Meile" von Bahnhaltepunkten, Bushaltestellen oder Parkplätzen an Einfahrtstraßen mithilfe eines frei verfügbaren Leihrads zurück zu legen.
Den Antragstellern ist dabei bewusst, dass die Einführung dieses Systems in Münster eine erhebliche Anstrengung bedeutet, die sowohl das Stadtbild prägen als auch das Verkehrsverhalten der Münsteraner beeinflussen wird.
Die Einführung des frei verfügbaren Leihrad-Systems wird als daher auch als städtischer Beitrag auf dem Weg zum umweltverträglichen Individual-Verkehr in Münster gesehen.
Unter diesen Umständen ist davon auszugehen, dass eine erfolgsversprechende Einführung dieses Systems zumindest vorerst nicht haushaltsneutral erfolgen wird und entsprechende noch zu beziffernde Haushaltsmittel im Haushalt 2018 bereitgestellt werden müssen.
    Im Gegenzug bedeutet die Einführung dieses Systems einen erheblichen Image-Gewinn für Münster.
 
2. Beschreibung
Das neue System stellt eine Dienstleistung für die Bürgerinnen und Bürger sowie Besucher der Stadt Münster dar.
Zugang zum System erhält der Nutzer durch eine kostenpflichtige einmalige Anmeldung als Tages- o. Wochennutzer (z.B. für Touristen) oder durch den Kauf einer Abonnement-Karte (Monatskarte / Jahreskarte).
Es muss möglich sein, sowohl über die App als auch an jedem einzelnen Terminal diesen Zugang zum System zu erhalten. Die entsprechende Stromversorgung für Kreditkartennutzung an jeder Station ist daher einzurichten.
Die Nutzung der ersten 30 Minuten ist dann kostenlos! Mieten fallen erst ab einer darüber hinaus gehenden Nutzung zeitabhängig an.
Nutzer werden so angehalten, das Leihrad am Ziel umgehend wieder in einer Station zu parken und somit den Leihvorgang zu beenden. So wird ein hoher Umschlag je Rad und Tag erreicht, der die Gesamtkosten des Systems minimiert und im Gegenzug die ständige Verfügbarkeit von Rädern an den Stationen gewährleistet.
Damit an jeder Station ständig ausreichend Räder zur Verfügung stehen, erfolgt ggfs. ein ständiger Mengenausgleich durch die Betriebsgesellschaft. Die Steuerung dieser Logistik erfolgt über die entsprechende Betriebs-Software.
Die Betriebsgesellschaft betreibt weiterhin eine Wartungswerkstatt für die ständige Kontrolle und Reparatur der Räder.
Für die Startphase wird ein System von ca. 150 Stationen mit ca. 1500 Rädern innerhalb des ersten Tangentenrings, an Bahnhaltepunkten und Pendlerparkplätzen (Park&Ride) an den zentralen Einfallstraßen der Stadt sowie in jedem Stadtteil eingerichtet.
 

3. Grundsätze und Gestaltungsmerkmale
Maßgeblich für den Erfolg des Systems sind folgende Eckpunkte:

1. Ausbildung als Fix-System: Bei diesem System werden die Leihräder fest in einzelne, einfundamentierte Haltekonsolen an Stationen eingehakt und verankert. Die höheren Anfangsinvestitionen führen später zu geringeren Folgekosten. Weiterhin bestehen hier erhebliche Vorteile bzgl. Service, Wartung, Vandalismus u. Diebstahl, den Ausleih- u. Rückgabevorgang sowie bei der gestalterischen Eingliederung in das Stadtbild. Nur durch ein Fix-System ist darüber hinaus eine Erweiterung auf E-Bikes möglich. Möglichkeiten eines Flexi-Systems sind zudem darzustellen inklusiv Vor- und Nachteile beider Systeme.
 
2. Einfache Ausleihe: An jeder Station ist zwingend ein mehrsprachiges Terminal vorzusehen, an dem auch Erstkunden z.B. per Kreditkartenkauf Tickets erhalten können. Ziel ist eine einfache, unkomplizierte Nutzung des Systems. Die entsprechende Stromversorgung für die Terminals ist vorzusehen. Dauer-Abo-Karten werden am Terminal, per Internet oder an eigenen Verkaufsstellen (z.B. Bahnhof / Busbahnhof / Fahrrad-Station) verkauft.

3. Ständige Verfügbarkeit: Diese ist durch den Betreiber durch eine entsprechende Organisation zu garantieren. Hierzu gehört ein Mengenausgleich auf Grundlage der durch eine entsprechende Software übermittelten Ausleihdaten sowie eine ständige Wartung und Reparatur der Räder.

4. Hohe Qualität der Leihräder: Es werden Räder von sehr hoher Qualität nach der Vorlage des Systems MeinRad in Mainz angeschafft (Unisex-Rad, z.B. Radhersteller Simpel / Schaltung Novinci o. glw. Kosten in Mainz = ca. 800 Euro netto / Rad). Dies ist aufgrund des hohen Umschlags je Rad erforderlich, der bei bis zu 800 Fahrten im Jahr auch eine entsprechende Anzahl an Entleih- und Rückgabe-Vorgängen mit sich bringt.

5. Schnelle Erreichbarkeit der nächsten Station: Ein Höchstabstand von
300 m zwischen zwei Stationen zumindest im Kernbereich ist Vorgabe für die Planung, unter Berücksichtigung von besonders häufig frequentierten Orten im Stadtgebiet. Insbesondere Parkhäuser, Parkplätze an Eingangsstraßen, Bahnhöfe, Bushaltestellen sowie größere Arbeitgeber sind zu erschließen.

6. App-gesteuertes Auffinden der Stationen: Notwendiger Erfolgsfaktor des zu erstellenden Leihrad-Systems ist eine perfekt funktionierende und die Nutzer ansprechende, mehrsprachige App! Diese ist als eigenständige App unter dem Markennamen des Leihrad-Systems für alle gängigen Smart-Phone-Betriebssysteme verfügbar. Sie leitet Nutzer zur nächsten Station und gibt jederzeit die verfügbaren Räder je Station an. Darüber hinaus ist eine Integration der App in die Fahrplan-App der Stadtwerke notwendig, zur optimalen Ergänzung der Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel.

7. Einheitliches Design mit eigenständiger Marke: Insbesondere das Design der Terminals und der Konsolen und Räder sowie die Pflasterungen der Stationen muss aufeinander abgestimmt werden und fügt sich hochwertig in das Stadtbild ein. Durch den Aufbau einer eigenständigen Marke für das Leihrad-System mit einem identitätsstiftenden, internationalen Namen wird eine schnelle Verbreitung garantiert.

4. Organisation / Betreiber / Förderverein
Die Entwicklung des Leihrad-Systems, die Festlegung der Standorte und Planung der späteren Stationen sowie die Oberleitung des späteren Betriebs im gesamten Stadtgebiet unterliegt dem Dezernat für Planung, Bau, Wirtschaft und Marketing.
   
Für das Projekt Leihrad ist ein verantwortlicher Projektleiter zu benennen.
 
In einem ersten Schritt ist zu prüfen, ob eine Eigenentwicklung im Konzern der Stadt Münster (System Mainz) oder eine Fremdvergabe per Ausschreibung (System Wien / Paris) erfolgen soll.
 
Für den Fall des Eigenbetriebs ist eine entsprechende städtische Betriebsgesellschaft für Entwicklung und den späteren Betrieb zu gründen.
 
In diesem Fall ist auch zu prüfen, ob eine komplette Übernahme des städtischen Systems in Mainz für Münster in Frage kommt und möglich ist (inkl. Fahrrad, App, Logistik, Steuerungssoftware etc.).
 
Darüber hinaus könnte ein noch zu gründender Förderverein die externe Qualitätskontrolle betreiben und Sponsoren-Gelder einwerben. Mitglieder des Vereins erhalten dann für ihren Mitgliedsbeitrag ein Jahres-Abonnement.
Als städtische Träger des Systems kommen folgende städtischen Gesellschaften in Betracht:

• Stadtwerke
• Westfälische Bauindustrie
 
5. Finanzierung
 
1. Die Finanzierung des Systems könnte über die o.a. Gebühren (Tages- o. Wochenticket sowie Monats- oder Jahres-Abo) sowie über die Mietkosten der Räder erfolgen.

2. Es wird zur Kenntnis genommen, dass zurzeit jede einzelne Fahrt mit den ÖPNV einer Bezuschussung unterliegt. Eine vergleichbare Bezuschussung je Fahrt mit dem Leihrad wird daher grundsätzlich zur Finanzierung des Systems akzeptiert.

3. Darüber hinaus soll eine Mitfinanzierung durch Werbung und Sponsoring angestrebt werden.
Hierbei kommen sowohl die Vergabe von Werbelizenzen an den Betreiber (wie z.B. beim System Velib der Fa. Decaux in Paris) als auch Werbung direkt auf den Rädern oder auf den Stationen in Betracht.

Eine Teilfinanzierung des Systems kann über Sponsoren erfolgen, die den Kaufpreis einzelner oder mehrerer Räder spenden oder die Kosten für deren Wartung für eine bestimmte Zeit übernehmen. Im Gegenzug erhalten diese auf Wunsch kleine Werbeflächen an den Radverkleidungen der Hinterräder. Grundlegend hierfür ist, dass die Werbung nicht die Optik des Fahrrads bestimmt.

4. Teil-Finanzierung über Semesterticket und Plus-Card-Inhaber: Seit über 20 Jahren besteht in Münster für alle Studenten die Pflicht zum Kauf eines Semestertickets zur Nutzung der öffentlichen Verkehrsmittel. Ziel ist es nicht, den Betrag des Semestertickets signifikant zu erhöhen.

Im Rahmen der Planungen sind Verhandlungen mit den studentischen Vertretungen der münsterschen Hochschulen aufzunehmen mit dem Ziel, einen Teilbeitrag von den ca. 60.000 Studenten in Höhe eines Jahres-Abonnements für die Finanzierung des Systems zu übernehmen.
Darüber hinaus ist das Leihrad-System in das Angebot der Stadtwerke Plus-Card zu integrieren.

5. Teil-Finanzierung über öffentliche Mittel: Ein Teil der Anfangs-Investition wird über öffentliche Fördermittel finanziert, die hierfür bei Land und Bund oder EU-Ebene zur Verfügung stehen.
Es sei in diesem Zusammenhang auf ca. 1,8 Mio. € Förderung hingewiesen, die der Bund bspw. zum System MeinRad in Mainz beigesteuert hat.

6. Die Finanzierung der Erstellung der Stationen der Räder erfolgt über die Stellplatz-Abgaben-Rücklage der Stadt Münster. Die Flächen werden der Betriebsgesellschaft von der Stadt Münster kostenlos für die Dauer des Betriebs zur Verfügung gestellt.