Power play für moderne Mobilität

Stefan Weber_02

Beim Antrag von CDU und Grünen, einen Masterplan Mobilität für Münster zu entwickeln, geht es darum, Münsters Verkehrspolitik mit der steigenden Zahl von derzeit täglich 100.000 Pendlern vor dem Infarkt zu retten. Münsteraner und Münsterländer können nicht immer mehr Lebenszeit im Stau verlieren. Deshalb brauchen wir ein modernes Verkehrssystem, ohne einzelne Verkehrsträger heilig zu sprechen oder zu verteufeln. Der Antrag bietet die Chance, die Gefangenschaft in überholten Denkmustern zu verlassen. Verbohrte Verkehrspolitik dient niemandem.

Tausendfach stehen Autos Stoßstange an Stoßstange auf Einfallstraßen. Im Zentrum setzt unterdessen der Parkplatzsuchverkehr ein, die Mitarbeiter des Ordnungsamtes schwärmen aus, um Bußgelder zu verteilen. Auf den Bürgersteigen und Radwegen kommen sich die Lastwagen der Handwerks- und Lieferbetriebe, Fußgänger und Radfahrer ins Gehege, derweil die Bus- und Bahnpendler an ihren Arbeitsplatz eilen. So sieht es in Münster wie in anderen Großstädten aus.

Von wirkungsvollem Power play moderner Mobilitätspolitik ist man in den Städten weit entfernt. Zuviel ist bisher in den Städten Gegenstand unattraktiver und ausufernder politischer Debatten gewesen. Weder macht es Sinn, vom Autoverkehr in der Stadt grundsätzlich nichts wissen zu wollen, noch hilft es, neue Faktoren bei der Lösung der Verkehrsprobleme zu ignorieren.

Es ist auch in Münster nicht neu, heftig um Verkehrsfragen zu ringen. Schon in den 1920er Jahren war in europäischen Großstädten von Hilfeschreien zu lesen, weil der Lärm der Verkehrsstraßen zur Plage geworden sei. Wer sich in Münster vor Jahrzehnten die Beendigung des Autoverkehrs auf Prinzipalmarkt, Salz- oder Ludgeristraße vergegenwärtigt, dem schwingen schattenhafte Erinnerungen vom vermeintlichen Untergang mit. Es ist anders gekommen, und heute kann sich niemand mehr vorstellen, als wäre es jemals anders gewesen.

Autos sind dennoch ein faszinierendes Verkehrsmittel geblieben. Sie werden es auch bleiben. Die Modalitäten aber ändern sich. Autoverkehr ist ambivalent und deshalb umstritten. Er bringt Wohlstand und gleichzeitig Belastung, fördert Begegnung wie Trennung von Menschen, ist Sinnbild sowohl für Freiheit als auch für Kollektivismus, etwa im täglichen Stau. Weil Autos viel Platz beanspruchen, sind sie in Städten und Ballungsgebieten ein Problem. Der motorisierte Individualverkehr hat an manchen Orten ein solches Ausmaß angenommen, dass die Behörden mitunter zu verzweifelten Maßnahmen wie temporären Fahrverboten greifen, die zumeist klaglos hingenommen werden.

Wer solch drastische Einschnitte verhängen muss, kommt zu spät. Sinnvoller ist es, eine vorausschauende Verkehrspolitik zu entwickeln, die den modernen Rahmenbedingungen gerecht wird. Das ist Sinn und Chance unseres Antrags, und dabei sind zwei Aspekte maßgeblich: Technologie und Verdichtung.

Die Industrie entwickelt immer ökologischere Fahrzeugkonzepte. Sie bringt nicht nur sauberere und kleinere Autos, sondern denkt die Vorteile bisheriger Technologien neu. Bahnen werden im städtischen Verkehrskontext mehr und mehr zum Thema. Die Digitalisierung wiederum bringt interessante Mobilitätskonzepte, vom autonomen Fahren bis zum Carsharing.

Das Bevölkerungswachstum erfordert verdichtetes Bauen in den Städten und sparsamen Umgang mit Boden. Damit steht in einer wachsenden Stadt wie Münster für den Individualverkehr insgesamt weniger Platz zur Verfügung. Auch der größte Autoliebhaber wird diese Tatsache anerkennen. Sie bedeutet aber nicht automatisch Restriktionen in den Zentren, die wirtschaftlich pulsierende und lebhafte Orte der Arbeit und der Begegnung sind und deshalb für das Umland erreichbar bleiben müssen. Deshalb ist die Einbeziehung des Münsterlandes bei der Entwicklung des Masterplans Mobilität für die Stadt Münster von existentiellem Interesse.

Es muss auch beachtet werden, dass eine verdichtete Stadt wie Münster ein Wirtschaftszentrum ist, in dem nicht nur geräuscharme Dienstleistungen erbracht werden. Hier gibt es vitalen Einzelhandel, Gewerbe, Betriebe, die auf zuverlässige Belieferung angewiesen sind und die auch Kunden bedienen, die mit dem Auto in die Stadt fahren.

Die Verkehrsprobleme der Gegenwart sind groß. Wer städtische und regionale Mobilität in Münster und im Münsterland mit Sinn für das Machbare ernsthaft und umfassend erörtern will, der sollte medialen Schaum vom Mund wischen. Verkehrspolitik wird nicht im Himmel gemacht, aber das künftige Mobilitätskonzept wird sicher alles andere als eine Höllengeburt sein, um Bewohner, Pendler und Besucher von Münster abzuschrecken. Das Gegenteil ist der Fall.